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Segelfliegen ist kein Solosport. Beim Start werden viele Helfer gebraucht und jene, die wissen wie es geht, zeigen es den "Neuen".
Fliegersommer 2007 in Gelnhausen – trotz mäßigen Wetters mit vielen Starts und noch mehr Spaß

Wie jedes Jahr führt der Aero-Club Gelnhausen in der ersten Sommerferienwoche (dieses Jahr 9.7. – 13.7. 2007) einen Schnupperkurs für Segelfluginteressierte durch und im Anschluss daran (dieses Jahr vom 6.8. – 10.8. 2007) ein Sommerlager für die eigene Jugendgruppe.

Am Schnupperkurs nahmen 10 Interessierte im Alter von 15 – 50 Jahren teil. Die meisten kom-men aus der Umgebung von Gelnhausen und haben sich beim Anblick der Segelflieger über der Barbarossastadt schon immer gewünscht, das ungewöhnliche Hobby des Segelfliegens einmal selbst kennenzulernen. In dieser Woche erhalten Sie so einen Einblick in den normalen Ablauf eines Segelflugtages.
Das Wetter war zwar durchwachsen, aber es konnte dennoch jeden Tag geflogen werden und es wurden etwa 200 Starts in dieser Woche durchgeführt. Einige der Schnupperer waren dann so begeistert, dass sie im Anschluss an diesen Kurs gleich in den Verein eingetreten sind und dann ihre Ausbildung im Sommerlager mit der Jugendgruppe des Vereins fortgesetzt haben. Insgesamt hat der Verein dieses Jahr weitere 8 Segelflugschüler aufgenommen, die ihre Liebe zu diesem Sport entdeckt haben.

Im Sommerlager nahmen dann rund 25 Flugschüler teil, von denen aber einige schon allein fliegen oder auch schon kurz vor der Prüfung stehen. Im Sommerlager haben die Schüler die Möglichkeit, ihre Kenntnisse zu vertiefen und Zwischenprüfungen in ihrer praktischen Ausbil-dung abzulegen. Leider war das Wetter ab Mitte der Woche so schlecht, das an Fliegen nicht mehr zu denken war. Dennoch waren die Flugschüler beschäftigt. In einem Verein sind immer Arbeiten zu erledigen. Da muss etwas an der Winde oder anderen Fahrzeugen repariert wer-den. Arbeitsstunden, die dem Verein zugute kommen, können durchgeführt werden oder es wird an schlechten Tagen von den Fluglehrern Theorieunterricht angeboten. Daneben ist auch eine freie Freizeitgestaltung möglich. Die Jugendgruppe des Aero-Clubs Gelnhausen ist sehr aktiv und unternimmt auch in der übrigen Freizeit viel miteinander. So wird das Schwimmbad besucht, ein Ausflug auf die Wasserkuppe geplant oder manchmal sitzt man auch nur gemeinsam in unserer alten Werkstatt, spielt Spiele, schaut Filme oder bereitet ein gemeinsames Essen vor.

Wenn aber geflogen werden kann, gestaltet sich der Tag folgendermaßen:

Ein Segelflugtag beginnt mit einem Briefing, d.h. mit einer Vorbesprechung des Tagesablaufs. Segelflug ist ein Mannschaftssport. Es braucht 5 – 7 Leute, um einen Segelflieger in die Luft zu bekommen. Der diensthabende Fluglehrer checkt, ob auch alle für diesen Tag eingeteilten Helfer da sind. Ein Startleiter wird gebraucht, der die Abläufe rund um den Startaufbau leitet. Ein Startschreiber schreibt die Start- und Landezeit der Flüge mit. Steht ein Windenfahrer oder ein Schlepp-Pilot zur Verfügung, der die Segelflugzeuge in die Luft bringt? Wer fährt die Traktoren, die die Flugzeuge nach der Landung zum Startplatz zurückzieht? Wer hilft am Start, klinkt die Seile ein und hält die Fläche des Flugzeugs beim Anschleppen? Und vieles mehr.

Dann wird das Wetter besprochen. Werden der Tag und die Thermik so gut, dass vielleicht ein Überlandflug möglich ist? Segelfliegen ist nicht nur auf die Umgebung des Flugplatzes beschränkt, sondern bei guter Thermik können mit den modernen, eleganten Kunststoff-Flugzeugen auch große Strecken 300 km und mehr geflogen werden, die der Segelflieger am Startort beginnt und auch dorthin wieder zurückkehrt. Auch Schüler müssen am Ende ihrer Aus-bildung mindestens einen 50-km-Streckenflug zurücklegen, um ihre Lizenz zu erwerben. Meistens führen diese Flüge zur Wasserkuppe, der Wiege der Segelfliegerei.
Ist geklärt, wie sich der Tag thermisch entwickelt, werden die Flugzeuge an die einzelnen Flie-ger verteilt. Je nach Ansturm auf ein Flugzeugmuster, müssen sich die Piloten ihre Flugzeit so einteilen, dass auch die anderen Kameraden an diesem Tag einen Flug bekommen.

Anschließend werden die Flugzeuge aus der Halle geräumt und gründlich gecheckt, d.h. alle Ruderanschlüsse werden geprüft, der Einbau der Batterie für den Funk. Sind die automatischen Fallschirme eingehängt? Und viele für die Sicherheit wichtigen Dinge. Im Anschluss daran, werden die Flugzeuge am Startplatz aufgebaut. Der Startplatz richtet sich nach der Windrichtung. Die Flugzeuge müssen in den Wind starten. Haben wir also Westwind, so wird der Start im Osten des Flugplatzes aufgebaut und die Winde, die die Flugzeuge hoch schleppt, im Westen. Dann kann es losgehen.

Der Aero-Club Gelnhausen hat 6 Segelflugzeuge, von denen zwei Schuldoppelsitzer sind. Dies sind die ASK 21, die in der Rhön in Poppenhausen im Werk von Alexander Schleicher gebaut werden. Daher auch der Name AS für Alexander Schleicher K für Kaiser, den Konstrukteur, 21 für das Modell. Mit diesen Flugzeugen beginnt die Ausbildung der Flugschüler, wobei der Lehrer auf dem hinteren Sitz Platz nimmt und der Schüler vorne. Ist der Fallschirm angelegt, haben alle ihren Sitz eingenommen und sind richtig und fest angeschnallt, wird der Startcheck durchge-führt, d.h. alle Bedienelemente und Instrumente im Flugzeug auf ihre Gängigkeit überprüft. Ist dies ok, wird die Haube verschlossen und der Pilot konzentriert sich völlig auf den Start.

Das Windenschleppseil wird eingeklinkt und der Starleiter gibt den Startauftrag an die Winde: ASK 21 doppelsitzig, am Kinzigseil, startklar, Seil anziehen. Das Seil wird gestrafft und dann wird das Segelflugzeug mit hoher Geschwindigkeit beschleunigt, hebt ab, steigt zunächst in ei-nem flachen Winkel bis zur Sicherheitshöhe, um danach in einem steileren Steigflug an Höhe zu gewinnen. Das erinnert ein bisschen an Achterbahn aufwärts. Erreicht der Segelflieger seine mögliche Höhe, nimmt der Windenfahrer das Gas zurück, und das Schleppseil wird am Segel-fugzeug ausgeklinkt. Nun beginnt der lautlose Flug. Man fühlt sich wie einer der Bussarde, die manchmal in einem Aufwind mit dem Segelflugzeug kreisen. Keine Art zu fliegen, ist der des Vogelflugs so ähnlich, wie das Segelfliegen. Man gleitet majestätisch dahin. Hat man Glück und Aufwinde (Thermik) sind verfügbar, so kreist man an solchen Stellen ein und schraubt sich in Kurven immer höher.

Über Gelnhausen dürfen wir bis zu einer Höhe von 935 m über Grund fliegen. Das hängt mit dem Flughafen Frankfurt zusammen, da die überfliegenden großen Airliner hier schon im End-anflug auf Frankfurt Flughafen sind und in Höhen um 1400 m über Gelnhausen ankommen. Gäbe es den Flugplatz Gelnhausen nicht, würden diese wahrscheinlich noch viel tiefer anflie-gen. Überall in der Welt ist der Luftraum eingeteilt und festgelegt, wer wo und wie hoch fliegen darf. Hinter dem Fernsehturm in Richtung Bad Orb dürfen die Segelflugzeuge dann schon auf 1500 m steigen, wenn die Thermik dies zulässt. Landschaft und Orte verwandeln sich unter uns zu Spielzeuglandschaften. Wir kreisen lautlos unter einer dicken Cumuluswolke und machen uns dann weiter auf den Weg zur nächsten dieser Thermikwolken in Richtung Osten. Dies kön-nen wir fortsetzen, solange Thermik an diesem Tag vorhanden ist. Diese beginnt in der Regel am Mittag und geht bis etwa 19:00 Uhr abends. Man sollte also seine Flüge so einteilen, dass man bei Überlandflügen rechtzeitig bei Thermikende wieder am Heimatflugplatz zurück ist.

Leider gibt es auch oft Tage ohne Thermik. Aber geflogen wird fast immer, wenn es nicht reg-net. In der Ausbildung kommt es in erster Linie darauf an, möglichst viele Starts und Landungen zu machen, da dies die schwierigsten Übungen in der Fliegerei sind. Das kann auch an Tagen passieren, wenn das Wetter ruhig ist und man dann nur 5 – 10 Minuten Flugzeit bekommt. Be-herrscht der Schüler dann alle Übungen, kann er mit Auftrag eines Fluglehrers, der am Boden steht und ihn beobachtet, allein fliegen.

Das ist das schönste Erlebnis für einen Flugschüler. Endlich allein, völlig losgelöst. Hat er sei-nen ersten Alleinflug geschafft, erhält er die Fliegertaufe. Alle Kameraden versammeln sich, das Hinterteil wird mit einem Eimer Wasser begossen und anschließend wird das ganze mit einem Klaps darauf (von allen Kameraden) besiegelt. Durchnässt, mit wundem Po, aber dennoch sehr, sehr glücklich nimmt der Flugschüler dann noch einen Strauß Wiesengras entgegen. Ab jetzt kann ein Schüler mit Flugauftrag alleine, aber nur in Sichtweite des Fluglehrers fliegen. Weitere Ausbildungsabschnitte, die die Technik verfeinern und zur Überlandflugreife führen schließen sich an. Aber nicht nur Praxis wird gelehrt, sondern auch viel theoretisches Wissen ist gefragt. Dieses wird einerseits schon während der praktischen Ausbildung mit eingebracht, andererseits erhalten die Flugschüler des Aero-Clubs Gelnhausen im Winter eine fundierte theoretische Ausbildung in Meteorologie, Technik, Aerodynamik, Navigation, Verhalten, Leistungsvermögen, Luftrecht und Funksprechen. Dies alles ist nötig, um später einmal die Flugprüfung, die beim Regierungspräsidium Darmstadt abgelegt wird, durchzuführen.

So viel es sich anhört, es ist dennoch im Bereich des Möglichen dies alles in 4 Jahren zu schaf-fen, denn so viel Zeit haben die Segelflugschüler für die Durchführung ihrer Ausbildung. Letztes Jahr wurden 4 praktische Prüfungen im Verein abgelegt und 7 theoretische. Diese 7 werden dann dieses Jahr (oder haben bereits) ihre praktische Prüfung ablegen. Die meisten Schüler im Segelflug sind zwischen 14 und 25 Jahren alt. Mit 16 Jahren darf man schon seinen Segelflugschein machen. Dies bedeutet eine große Verantwortung. Jugendliche, die ihre Heimat in der Segelfliegerei gefunden haben und es bis zum Flugschein geschafft haben, verfügen meist über ein hohes Maß an Disziplin und Verantwortung, denn sonst würden die Ausbilder und Prüfer sie nicht allein fliegen lassen.

Wir Lehrer des Aero-Club Gelnhausen freuen uns immer wieder mit, wenn es wieder mal einer von unseren Schülern geschafft hat eine Prüfung zu bestehen. Alle Fluglehrer im Verein tun dies ehrenamtlich in ihrer Freizeit, umso schöner ist es für uns zu sehen, wenn sich unsere Jugendlichen auch aktiv im Verein betätigen. So machen einige von ihnen den Windenfahrerschein, um wieder andere in die Luft zu bringen, manche sind talentierte Mechaniker, die helfen die Flugzeuge zu warten, andere wiederum helfen bei Büroarbeiten usw. Auch gibt es keine Diskrepanz zwischen Jung und Alt. Alle arbeiten zusammen und tolerieren einander, egal ob 14 oder 80.

Abends dann, beim De-Briefing, stehen alle um den Startwagen herum und besprechen noch mal die Ereignisse des Tages, schauen ob alle Flugzeuge sauber und alle benutzen Geräte an ihrem Platz sind, bevor es dann zum gemütlichen Teil übergeht, der jetzt im Sommerlager meistens mit einem gemeinsamen Essen gestartet wurde.

(10.8.2007, Aero-Club Gelnhausen, Pressedienst)
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